„Irgendetwas stimmt hier nicht“ (There's something wrong here)
n der Videoarbeit „Irgend etwas stimmt hier nicht“ (There's something wrong here) setze ich mich mit einem persönlichen Erlebnis aus dem Jahr 2021 auseinander, in dem ich rassistische Mikroaggressionen erfahren habe. Das Video ist keine eins-zu-eins Wiedergabe des Geschehens, sondern verbindet meine persönlichen Erfahrungen mit den Ergebnissen meiner Recherche.
Ursprünglich spielte ich selbst die Protagonistin. Nach mehreren Versuchen habe ich mich jedoch dagegen entschieden. Die finalen Aufnahmen entstanden mit einer Teenagerin, die nur bedingt eigene Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht hat.
Das Video dauert 1 Minute und 40 Sekunden. Die Szene spielt in einem Kellerraum.
Die Protagonistin betritt den Raum und setzt sich auf einen Stuhl, der in der Mitte steht. Links und rechts sind verschlossene Türen zu sehen – sie ist allein und isoliert.
Während sie gefilmt wird, beantwortet sie Fragen, die von der Antagonistin (gespielt von mir) hinter der Kamera gestellt werden.
Die Fragen beziehen sich auf ihren Namen, ihre Herkunft, ihre Sprache und ihre Bildung. Die Antagonistin fragt so lange, bis sie ihre eigenen Vorurteile bestätigt sieht und ihre Erwartungen erfüllt werden. Die Situation erinnert an ein Verhör. Die Protagonistin wird nicht nur räumlich isoliert, sondern auch sprachlich und symbolisch ausgegrenzt. Sie wird kategorisiert, abgestempelt – die Antagonistin interessiert sich nicht wirklich für sie. Sie sucht lediglich Bestätigung für ihre Stereotype.
Die Protagonistin ist zunächst ahnungslos, spürt aber zunehmend ein Unbehagen.
Fragen wie „Woher kommst du?“, „Ein Elternteil ist doch bestimmt deutsch?“ oder vermeintliche Komplimente wie „Du kannst aber gut Deutsch!“ klingen oberflächlich interessiert und harmlos, tragen jedoch implizit diskriminierende Botschaften: Du gehörst nicht hierher. Oder: Dass du so weit gekommen bist, verdankst du uns – der Mehrheitsgesellschaft.
Ein weiteres wiederkehrendes Motiv ist die falsche Aussprache des Namens der Protagonistin. Oft wird er „eingedeutscht“ – aus Meryem wird Miriam, aus Yasemin wird Yasmin, aus Bünyamin wird Benjamin. Diese subtile Form der Anpassung ist Teil alltäglicher Mikroaggressionen. Auch die übergriffige Neugier nach der Familiengeschichte verdeutlicht die Grenzüberschreitung.
Die Erwartungen der Antagonistin werden nicht erfüllt – irgendetwas stimmt hier nicht. Sie kann kaum glauben, dass die Protagonistin trotz „fremdklingendem“ Namen, „anderem“ Aussehen und nichtdeutschen Eltern studiert und erfolgreich ist. Sie sucht nach einer Erklärung und vermutet, ein Elternteil müsse „deutscher Herkunft“ sein. Die Antagonistin verstrickt sich in ihren eigenen Grenzen und Vorurteilen. Sie spricht der Protagonistin unterschwellig ihre Identität, ihre Fähigkeiten und ihre Individualität ab. Nicht die Protagonistin grenzt sich aus – sie wird durch die Antagonistin ausgeschlossen.
Mit dieser Szene möchte ich auf alltägliche Mikroaggressionen aufmerksam machen und für deren subtile Formen sensibilisieren.
Begriffserklärung:
Mikroaggressionen sind offene oder subtile, verbale oder nonverbale Handlungen, die andere Menschen in ihrer Würde herabsetzen. Sie richten sich häufig gegen Herkunft, Identität, Geschlecht oder sexuelle Orientierung und dienen dazu, dem Gegenüber seine Kompetenz, Individualität und Zugehörigkeit abzusprechen. Auch Frauen, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle oder Personen mit nicht-heteronormativer Orientierung sind hiervon betroffen.
Meine Recherchen zeigen, dass Alltagsrassismus in unterschiedlichsten Formen – von subtil bis offen – vorkommt. Besonders Kinder machen früh Erfahrungen damit. Eine Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernsehen (IZI) von 2021 zeigt: Sieben von zehn befragten Kindern (n = 1.461) haben bereits Diskriminierung durch andere Kinder, Lehrkräfte oder Erwachsene erlebt. Je dunkler die Hautfarbe, desto früher beginnen diese Erfahrungen – teils schon in der Kita. Maya Götz beschreibt Alltagsrassismus als das „wiederkehrende und normalisierte Erleben von Rassismus, eingebettet in alltägliche Routinen und Praktiken“ (IZI, 2021, S. 11).
Langandauernde Diskriminierung – ob in Schule oder Beruf – kann schwerwiegende psychische Folgen haben. Betroffene fühlen sich oft gezwungen, sich ständig zu erklären, wollen nicht „überempfindlich“ wirken und bleiben mit ihren Erfahrungen allein. Daraus können psychische und körperliche Leiden entstehen. Burnout und Depression gehören zu den häufigen Konsequenzen – verbunden mit dem Gefühl von Ohnmacht, Isolation und dem Verlust von Motivation.